Unser Bestattungsinstitut und seine Geschichte

Auf dieser Seite wollen wir erzählen, wie wir zu unserer Arbeit gekommen sind und wie zu ihr stehen.

Ilona Haller tut, als hätte sie ihr Leben lang nichts anderes getan. Sie notiert die wichtigsten Daten und vereinbart einen Gesprächs-Termin für den nächsten Morgen.

Jede Geschichte hat eine Vorgeschichte. So auch diese. Ilona Haller (damals 50) und ihr Sohn Christian (25) haben schon einiges mitgemacht.

Mehr als dreißig Jahre lang hat die Modebranche das Leben der Familie mit bestimmt: Kleidung entwerfen, Kollektionen bei Kunden vorstellen, auf Modemessen Bestellungen annehmen, herstellen lassen, liefern. viermal im Jahr derselbe Zyklus. Alles bestimmend. Familienunternehmen.

Bis Herbert Haller plötzlich stirbt.

Nach seinem Tod wird es schwer mit der Mode. Die treibende Kraft ist weg. Mutter und Sohn schaffen es nicht, das Unternehmen weiterzuführen. In ihrer Not gründen die beiden einen Brotladen in Schwäbisch Gmünd, in dem sie Brot vom Vortag verkaufen. Einer von beiden fährt jeden Morgen gegen 4 Uhr früh nach Stuttgart, zu einer größeren Bäckerei, um dort das Vortagsbrot abzunehmen. Dieses Brot verkaufen sie dann in einem kleinen Laden an einer Ausfallstraße zum halben Preis.

Aber bald schon schmerzen die Gelenke. Das frühmorgendliche Aufstehen ist nicht ganz im Sinne des Abholers. Und vor allem ist das Entwicklungspotenzial ziemlich beschränkt. Die unternehmerische Phantasie hat hier nicht genügend Freiraum.

Nach zwei Jahren voller Backwaren betet Christian Haller eines Abends inbrünstig um eine Idee. Am nächsten Morgen wacht er mit dem leicht irrwitzigen Gedanken auf, ein Bestattungsunternehmen zu gründen.

„Bestattungsunternehmen?“, fragt die Mutter. Ja, daran denke sie schon seit zwei Jahren. Seit dem plötzlichen Tod des Vaters. Seit jenem Moment, in dem diese Bestattung „abgewickelt“ wurde und sie sich im Nachhinein gewünscht hätte, es wäre anders geschehen. Liebevoller, aufmerksamer. Dem Menschen zugewandt. Näher an ihrem eigenen Leben. Persönlicher. Beistand eben.

Doch wie fängt man so etwas an? Da die beiden gar keine Ahnung haben, tun sie, was jeder in ihrer Situation tun würde: Sie machen sich schlau. Lesen Bücher, sprechen mit Bestattern, Angehörigen, Friedhofsaufsehern. Versuchen auf alle möglichen Arten herauszubekommen, was herauszubekommen ist. Überlegen immer wieder, was sie sich damals konkret gewünscht hätten.

Christian Haller besucht seine Bank und erklärt, was er vorhat. Er bewirbt sich für einen Jungunternehmer-Kredit und erhält direkt im Gespräch eine Zusage. Das Geld aus dem Kredit ist schneller ausgegeben, als es überwiesen wird. Um die ersten Kunden anzuziehen, schaltet er Anzeigen. Große. Er macht Preiswerbung. Preiswerbung für einen Bestatter hatte Stuttgart nie zuvor gesehen. Um die Kunden auch bedienen zu können, kauft er einen Leichenwagen.

Särge müssen natürlich ebenfalls beschafft werden. Das ist nicht so einfach. Deutsche Hersteller und Großhändler wollen dem Jungunternehmer nichts liefern. Die polnischen Wurzeln der Mutter nutzend, fahren die beiden mit einem geliehenen, rosarot-hellblau bemalten Kleinbus durch Polen. Bei verschiedenen Dorfschreinereien kaufen sie sieben Särge.

Dann kommt jener 4. Juli.

Es ist eine ältere Frau am Telefon. Ihr Mann ist in der Nacht gestorben, im Badezimmer. Ilona Haller verabredet einen Termin, als hätte sie ihr Leben lang nichts anderes getan. Sie erscheint am nächsten Morgen adrett und seriös gekleidet mit Aktentasche und Katalog.

Das Gespräch dauert. Die Witwe will kein großes Aufheben, ihr Mann bewegte sich in politisch einschlägigen Kreisen. Sie möchte ihn nur ganz verschwiegen unter die Erde bringen lassen. Also wählt sie ein kleines, unbekanntes
Bestattungsunternehmen, von dem sie glaubt, dass dieses ihren Mann professionell und diskret bestatten würde. Die Auftraggeberin ist glücklich. So viel Aufmerksamkeit. So viel Zeit. Jemand hört zu!

Auch Ilona Haller ist glücklich. Eine dankbare Kundin! Die erste. (An dieser Stelle geht ein besonderer Dank an die 2011 verstorbene Kundin, die als „Frau Zeimke“ dem Haus und Ilona Haller jahrelang verbunden blieb, zum Kaffee vorbeikam und stets ein paar Blümchen mitbrachte).

Zur gleichen Zeit muss Christian Haller schnell lernen, wie man einen Toten auf eine Bahre und später in den Sarg legt. Wie man ihn ankleidet und so herrichtet, dass er sich seines Aussehens nicht schämen muss. Praktische Hilfe bekommt er von einem Bestatter, der eigentlich nur angerufen hat, weil er neugierig ist, wer hinter dieser Preiswerbung steckt. Und der spontan, aber amüsiert Hilfe anbietet, als er merkt, wie ahnungslos der Nachwuchs ist. Der alte Herr wird professionell abgeholt, versorgt, angekleidet und eingeäschert.

Sie warten lange. Das Geld, das sie beim ersten Fall verdient haben, ist bald aufgebraucht. Die Gelder aus dem Kredit stecken im Leichenwagen, in der Werbung und in den Särgen.

Endlich kommt der ersehnte Anruf. Und mit ihm ein echtes Hindernis: Wenn man einen Leichnam im Katharinenhospital abholen will, muss man als Bestatter sofort die Gebühr für die Leichenschau zahlen, zu der Zeit 30 D-Mark. Nicht einmal diese Summe haben die beiden Bestatter.

Der Bankautomat liefert nichts. Der Geldbeutel ist leer.

30 D-Mark ist zufällig exakt der Betrag, den man für eine Blutspende in der Blutabnahmestelle beim Katharinenhospital bekommt. Christian Haller zögert nicht, spendet Blut und verwendet dieses Geld, um die Todesbescheinigung zu bezahlen und den Toten mitzunehmen.

Das Unternehmen wächst mit der Zeit. Relativ bald wird den beiden klar, dass ihre kleine Niederlassung in der Marienstraße nicht repräsentativ genug ist. Sie würden gerne Trauerfeiern im eigenen Hause anbieten, den Gästen ausgiebigere Möglichkeiten zum Abschiednehmen geben. All das geht dort nicht.

Sie suchen nach neuen Räumlichkeiten. Ein Gebäude an der B27 wird ihnen angeboten. Eine Wende und ein Quantensprung gegenüber der kleinen Wohnung in der Marienstraße.
So mieten sie 1999 Räume an der Oberen Weinsteige in Degerloch. Das ganze Erdgeschoss. Im hinteren Teil wohnen sie. Die vorderen Räume sind für Angehörige.